ESG ist nicht gleich ESG – können Sie dem zustimmen?

Stefan Klotz:
Dem kann ich und dem muss wohl jeder zustimmen – aber es ist nur die halbe Botschaft. Einerseits trifft es zweifellos zu, dass es keine einheitliche Nachhaltigkeits- bzw. ESG-Einstufung geben kann, weil die verschiedenen Kriterien nicht objektiv verglichen werden können. Wie rechnet man eine familienfreundliche Personalpolitik um in eingesparte Tonnen CO2? Andererseits, und das finde ich eigentlich wichtiger: Man kann auf den ersten Blick jedes ESG-orientierte Portfolio von einem konventionellen Portfolio unterscheiden. Das unterstreicht bereits unser Credo: Hauptsache, man fängt überhaupt an, nachhaltig zu investieren!

Trügt der Eindruck, dass das Thema Nachhaltigkeit die Finanzindustrie endlich und in größerem Umfang erreicht hat?

Tim Helm:
Der Eindruck trügt nicht. Investoren erkennen immer mehr, dass es nicht nur dem Gewissen gut tut, unter ethischen und ökologischen Aspekten die Zielinvestments auszuwählen, sondern dass dies auch unter Rendite- und Stabilitätsaspekten sinnvoll ist. Nachhaltige Unternehmen sind für die Zukunft einfach besser aufgestellt.

Wie groß ist die Gefahr eines Greenwashings?

Tim Helm:
Selbstverständlich versuchen sich Unternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeit auch ein besseres Image zu verschaffen. Im Grunde begrüßen wir aber jegliche Zuwendung von Unternehmen hin zur Nachhaltigkeit. Es bedarf immer eines ersten Schrittes. 

Stefan Klotz:
Wo Menschen agieren, wird man zwar immer auch mal den einen oder anderen Zweifel hegen – aber allermeistens erkennen die Ratingagenturen sehr genau, bei welchen Unternehmen das Nachhaltigkeitsmanagement Hand und Fuß hat.

Es gibt verschiedenartige Ansätze bei der Umsetzung nachhaltigen Investierens, bspw. Impact Investing, Best-in-Class oder kategorische Ausschlüsse wie etwa bei Kohle. Wie weit ist die Branche da im Umgang mit Nachhaltigkeitsfiltern?

Tim Helm:
Jeder Investor hat seine ganz individuellen Wertevorstellungen. Der Markt für nachhaltige Investments und die dazu gehörigen Nachhaltigkeitsfilter haben mittlerweile einen guten Reifegrad erreicht. Das Angebotsspektrum ist ausreichend, so dass nahezu jeder eine zu seinen Wertevorstellungen passende Anlagelösung finden kann. 

Wie gut ist überhaupt die Datenlage, um entsprechend filtern zu können?

Stefan Klotz:
Zumindest für große und mittlere Unternehmen ist die Datenlage richtig gut. Die Anbieter von ESG-Research untersuchen mehrere tausend Aktiengesellschaften und Emittenten von Anleihen nach teils mehr als hundert verschiedenen Kriterien auf ihre Nachhaltigkeitsleistung. Dies zahlt übrigens der Anleger – anders als bei Credit Ratings wird hier der aus der Finanzkrise bekannte Interessenskonflikt also ausgeschlossen. 

Daten- und Labelanbieter gibt es auch schon einige. Worin unterscheiden sich FNG, MSCI, Sustainalytics, Oekom Research, Imug & Co.?

Stefan Klotz:
Das FNG (Forum für nachhaltige Geldanlagen) ist der Fachverband für Nachhaltige Geldanlagen im deutschsprachigen Raum. Es vergibt seit einigen Jahren nach recht strengen Kriterien das FNG-Siegel an Investmentfonds, die nachhaltig anlegen und sich um das Siegel beworben haben. Die anderen Namen stehen für etablierte Anbieter von ESG-Research. Nachhaltige ETFs stützen sich auf deren Research.

Nun kommen Sie mit einem B2B-Angebot für Vermögensverwalter. Beschreiben Sie das White-Label-Produkt bitte kurz?

Tim Helm:
Wir entwickeln aktuell die „Grüne Welt“: Dies wird eine nachhaltige Fonds-Vermögensverwaltung, die ausschließlich mit ETFs arbeitet. Dabei kooperieren wir mit der Augsburger Aktienbank und einem Münchner Vermögensverwalter für freie Vermittler und Honorarberater. Der prognosefreie Investmentansatz basiert auf den Grundsätzen der weltweiten Diversifikation, der Kosteneffizienz und der Reduktion von Volatilität. Außerdem berücksichtigt er über vier verschiedenen Strategien die individuelle Risikoneigung der Investoren. Im Sinne der Nachhaltigkeit freuen wir uns, dass sich unser Ansatz bereits an den einschlägigen Vorgaben des Forums für nachhaltige Geldanlagen (FNG) orientieren kann.

Stefan Klotz:
Und für Vermögensverwalter, die eine eigene Lösung mit Hilfe unserer Expertise entwickeln wollen, stehen wir gerne beratend zur Verfügung.

Warum gehen Sie mit der Lösung nicht eigenständig an den Markt?

Tim Helm:
…weil wir keine eigenen Endkunden-Vertrieb haben und auch keinen aufbauen wollen.

Wie sieht die Gebührenteilung aus?

Tim Helm:
Ein ETF-Vermögenskonzept ist nur dann sinnvoll, wenn man auch die Kosten im Blick hat. Unser Ziel ist es, in der Gesamtkostenbetrachtung (ohne Provisionen) inkl. der ETF Kosten unter 1% p.a. Kostenbelastung zu bleiben. Die TERs der ETFs liegen aktuell bei ca. 0,35% p.a., so dass die übrigen Kosten 0,65% p.a. nicht überschreiten sollten. Davon müssen die Abwicklung, die Vermögensverwaltung und die Konzeption bezahlt werden. Aber das schaffen wir!

Was verlangen die Kunden beim Thema Nachhaltigkeit, was ist möglich?

Tim Helm:
Die Welt der nachhaltigen Investments ist sehr vielfältig. Viele Kunden, die gerne unter Berücksichtigung von ethischen und ökologischen Kriterien investieren wollen, werden durch die Angebotsvielfalt und den unterschiedlichen Nachhaltigkeitsfiltern verwirrt. ETF-Lösungen investieren regelbasiert und damit transparent nachvollziehbar. Man weiß genau, was man bekommt. Auch deshalb sind wir fest davon überzeugt, eine sehr breite Anlegerschicht mit dem Konzept zu erreichen.

Und wie grün ist das Produkt?

Stefan Klotz:
Man muss realistisch sein: Es können gar nicht alle Anleger von heute auf morgen „“dunkelgrün“ anlegen, dies gibt das Angebot gar nicht her. Tatsächlich ist ein global breit diversifiziertes Portfolio wie das unsrige mit dunkelgrünem Ansatz bislang leider kaum zu realisieren. Aber es würde uns allen extrem helfen, wenn viele Anleger überhaupt auf nachhaltiges Investieren umsteigen würden. Das geht problemlos, jeder verantwortungsvoll investierte Euro macht die Welt ein wenig besser, und – man kann es nicht oft genug sagen – niemand muss Renditeeinbußen durch das ESG-Investieren fürchten! Das haben inzwischen zahlreiche Studien untermauert, und auch meine eigenen Analysen zeigen dies sehr klar.

Ihre B2B-Lösung basiert auf ETFs. Wie ist da die ESG-Entwicklung im ETF-Universum?

Tim Helm:
ETFs erfreuen sich immer größerer Beliebtheit, wie auch das Thema ESG-Investments. Der Abschlussbericht der von der EU-Kommission beauftragen High-Level Expert Group on Sustainable Finance (HLEG) beinhaltet weitreichende Handlungsempfehlungen, um umwelt- und sozialpolitische Ziele der EU zu erreichen und gleichzeitig die Finanzmarktstabilität zu sichern. Das soll nun auf der Ebene der Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Letztendlich geht es darum, die Kapitalströme im Sinne des Pariser Klimaschutzabkommens zu lenken. ETFs übernehmen dabei eine sehr wichtige Rolle. In Folge dessen wachsen sowohl Angebot als auch Qualität der ETFs mit ESG-Kriterien täglich.

Stefan Klotz:
Es gibt da auch eine Gegenseitigkeit: Produkte wie die „Grüne Welt“ werden der Kombination ETF&ESG weiteren Rückenwind geben. Das Angebot ist bereits gut, dürfte sich aber noch weiter entwickeln.

Wie groß ist das Angebot, welche Nachhaltigkeitsfilter kommen da zur Anwendung?

Stefan Klotz:
Üblich ist die bewährte Kombination aus Ausschlusskriterien und dem Best-in-Class-Ansatz. Dank der Ausschlusskriterien werden jene Aktivitäten vermieden, mit denen nachhaltige Anleger sicherlich kein Geld verdienen wollen – denken Sie z.B. an Landminen oder an verbotene Kinderarbeit. Der Best-in-Class-Ansatz sorgt dann dafür, dass man bei jeder Branche in die Unternehmen mit überdurchschnittlicher Nachhaltigkeitsleistung investiert. Dieser Ansatz sorgt für Wettbewerb unter den Unternehmen, weil kaum jemand Nachhaltigkeits-Schlusslicht sein möchte; er entfaltet daher eine starke Wirkung. Eine Sonderstellung nimmt der ETF auf Green Bonds ein, denn Green Bonds sind Anleihen, deren Erlös nur in nachhaltige Projekte investiert wird.

Tim Helm:
Aktuell gibt es 72 nachhaltige ETFs, die in Deutschland zum Vertrieb zugelassen sind. Für die „Grüne Welt“ haben wir aus jenen ETFs, die unserem hohen ethischen und ökologischen Ansprüchen und gleichzeitig der oben beschriebenen Investmentphilosophie gerecht werden, acht ETFs ausgewählt, welche die Bereiche Aktien und Anleihen abdecken.